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Prototypenbau war gestern – die Zukunft gehört der digitalen Planung

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Wenn bei Audi über die Zukunft geredet wird, dann spielt die Digitalisierung eine herausragende Rolle. Auch das Industrial Engineering kommt nicht daran vorbei, die Qualität und Effizienz seiner Prozesse ständig auf den Prüfstand zu stellen. Aber wie kann das IE allen Anforderungen gerecht werden? Gemeinsam mit der Deutschen MTM-Vereinigung e. V. und weiteren Partnern hat Audi einen neuartigen Ansatz entwickelt, um die digitale Revolution im Industrial Engineering 4.0 voranzutreiben. Dr. Ralph Hensel-Unger, IE-Planer bei der Audi AG, stellt diesen Ansatz bei der MTM- und TiCon-Anwenderkonferenz am 9./10. Mai 2019 in Heilbronn vor.

Herr Dr. Hensel-Unger, was hat sich für das Industrial Engineering verändert und was kommt noch? 
Die Digitalisierung stellt die Arbeit des IElers komplett auf den Kopf. Er ist nicht mehr nur in der realen Welt unterwegs, er muss vielmehr die Brücke schlagen zwischen realer und virtueller Welt. Zukünftige Fahrzeuge werden bei Audi prototypenfrei geplant, d. h. nur noch auf Basis von CAD-Daten. Ohne digitale Planungstools wird dies nicht mehr möglich sein. Der digitale Wandel ist nicht umkehrbar und er geht immer schneller voran – da gibt es für den Industrial Engineer nur eines: dranbleiben und möglichst einen Schritt voraus sein.

Was heißt für Sie einen Schritt voraus sein?
Grundlage jeder Gestaltung sind verlässliche Daten. Das ändert sich auch mit der Digitalisierung nicht. Die Frage ist, wie effizient in Zukunft Daten erhoben und weiterverarbeitet werden können. Der IEler 4.0 erstellt keine klassische MTM- bzw. Planungsanalyse mehr, sondern nutzt automatisiert erfasste Bewegungsdaten für eine Simulationsanalyse. Dem Prozessbausteinsystem MTM-HWD® (HWD – Human Work Design), das Audi, Daimler, Miele, Volkswagen und MTM gemeinsam entwickelt haben, kommt hier meines Erachtens eine Schlüsselrolle zu. Denn dieses Verfahren liefert gleichzeitig die chronologische Ablaufbeschreibung, die zeitliche und ergonomische Bewertung – alles Prozessinformationen, die notwendig sind, um digital planen zu können. Mit MTM-HWD® schlagen wir so die Brücke zwischen realer und digitaler Welt – das kann kein anderes Verfahren.

Sie vergleichen MTM-HWD® mit einer Lingua franca. Dabei handelt es sich um eine Verkehrssprache, die die Kommunikation auf einem bestimmten Fachgebiet über verschiedene Sprachräume hinweg ermöglicht. Was macht MTM-HWD® zu einer Lingua franca?
Die Analogie liegt auf der Hand. Zum einen, weil MTM-HWD® dank der verwendeten Piktogramme (statt Codes) universell verständlich ist. Audi z. B. produziert auf verschiedenen Kontinenten – wir können mit MTM-HWD® international ganz anders agieren bei der Prozessplanung. Der zweite Grund für die Bezeichnung als Lingua franca: Auf Basis MTM-HWD® lässt sich ein gerichteter, parametrisierter Datenstrom erzeugen, der digital weiterverarbeitet werden kann. Das heißt, MTM-HWD® steht für eine standardisierte Beschreibungslogik – nichts anderes ist eine Lingua franca.

Muss sich das Industrial Engineering aus Ihrer Sicht revolutionieren?
Es muss nicht, es wird sich revolutionieren! Die Digitalisierung ist kein punktuelles Ereignis, sie sorgt für einen allumfassenden und grundlegenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft – und dem kann sich auch das IE nicht entziehen: Völlig neue Methoden müssen entwickelt, Planungsprozesse neu gedacht und auch neue Modelle der Zusammenarbeit initiiert werden. Der Change beginnt übrigens schon im Studium. Das, was der Wirtschafts- oder Maschinenbau-Ingenieur noch vor ein paar Jahren gelernt hat, reicht definitiv nicht mehr aus. Auch für den IEler ergeben sich völlig neue Anforderungen an seine Kompetenzen.

Warum sollten Industrial Engineers und IT-Administratoren zur Anwenderkonferenz 2019 kommen?
Um zu erfahren, was für ihre Arbeit in der Industrie 4.0 zukünftig unerlässlich ist. Und: HWD® ist ein grundlegend neues Verfahren – es lohnt sich, auf diesen Zug aufzuspringen!

Wo steht Audi mit MTM-HWD®?
Ich schätze, dass es in etwa einem Jahr erste gute Piloten geben wird. Bei der Pilotierung, die in enger Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung erfolgt, geht es darum, die Benefits von MTM-HWD® hinsichtlich Produkt- und Prozessgestaltung zu erschließen. Und dazu brauchen wir digitale Simulationswerkzeuge. Anschließend erfolgt die Anbindung an die internen Systeme und die Überführung des Verfahrens in den Standard. Bis dieser in der Linie angekommen ist, vergeht noch einmal Zeit. Fakt ist: Bei Audi wird kein IEler jemals eine MTM-HWD®-Analyse selbst schreiben müssen. Alles digital…